Sabine Effinger und Alex Trespi
entre chien et loup

»Es geht um Schärfen und Unschärfen, darum, dass im Grunde nichts ist, wie es scheint. Dass Räume – damit meine ich auch Denkräume – sich auflösen und Bedeutungen verschwimmen oder mindestens vielschichtig sein können. Der Reiz liegt in der Verwirrung, im Rätselhaften und im Offenen.«

KVE: Können Sie uns etwas über Ihren künstlerischen Werdegang und die Entwicklung als Künstler*innen erzählen?

Alex Trespi: Die prägendste Zeit war seine Ausbildung in Frankreich bei Yves Regnier und Claude Viallat, nach Beendigung des Studiums ging er nach München, die ersten Ausstellungen hier in der Galerie FOE und in der Lothringer Straße. Alex Trespi kam von der Malerei, hat seine Arbeiten aber schon sehr bald in Rauminstallationen, Video-/Fotoarbeiten und Objekte erweitert. Themen und Ausgangspunkte sind oft Kindheitserinnerungen gewesen – in seiner Kunst vor allem sichtbar in seinen Möbelarbeiten. Und Titeln wie „Das bürgerliche Wohnzimmer“, da wird deutlich, was seine Arbeiten auch auszeichnet: ein subtiler Humor.

Sabine Effinger: Wichtige Impulse erhielt ich vor allem bei Dan Perjovschi und Asta Gröting. Angesprochen hat mich die anarchische Kraft vor allem von Dan Perjovschis Wandarbeiten, das hat mich dann zu eigenen Wandarbeiten inspiriert. Alex und ich lernten uns Ende der 90er Jahre kennen und erarbeiteten ab Mitte der Nuller Jahre gemeinsame Ausstellungen. Das Thema Kindheitserinnerungen war auch meines, ich habe damit meist ausgehend von gebrauchtem Spielzeug gearbeitet. Bei mir spielen neben den Wänden auch Zeichnungen und Objekte eine große Rolle. Wobei das Zeichnen für mich in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung erhält.

KVE: Welche zentralen Themen und Botschaften möchten Sie mit Ihrer Kunst vermitteln?

Auf Themen, die aus dem eigenen Erfahrungshorizont und Erinnerungen kommen, werden/wurden unsere Arbeiten jeweils aufgesetzt und weiterentwickelt. Es geht um Schärfen und Unschärfen, darum, dass im Grunde nichts ist, wie es scheint. Dass Räume – damit meine ich auch Denkräume – sich auflösen und Bedeutungen verschwimmen oder mindestens vielschichtig sein können. Die aktuelle Tendenz ist, alles zu kontextualisieren (dafür gibt es gute Gründe), damit verschwinden aber auch Zwischentöne und Denkräume für die Schauenden. Insofern wäre die Botschaft eigentlich: ins Offene gehen …

KVE: Wie beeinflussen Ihre Hauptinspiration und Lebenserfahrungen Ihre kreativen Werke?

Inspiration kommt aus den gewachsenen Erfahrungen, die, in Bezug zum aktuellen Geschehen gesetzt, auch entstehende Arbeiten verändern. Für Alex Trespis Möbelarbeiten beispielsweise war es ganz konkret von großer Bedeutung, dass die Art von Möbeln aus der Nachkriegszeit, die er für seine Installationen verwendete, zunehmend vom Markt verschwanden bzw. die Materialbeschaffung sehr kostenintensiv wurde. Die Installationsrbeiten und Objekte veränderten sich. Eine Auswirkung auf gewähltes Material haben auch die Überlegungen zum Ressourcenverbrauch in der Kunst.

KVE: Könnten Sie einen Einblick in Ihren kreativen Prozess geben, von der Idee bis zur Umsetzung?

Für Alex Trespi wie für mich stehen oft ein Gegenstand und was er an Assoziationen auslöst bzw. wofür er steht, am Beginn des Prozesses. Für Alex folgen dann Materialversuche. Ein Beispiel: die Objekte „Caduta Sassi“ in der Ausstellung. Holz oder Papier oder Zement, „funktioniert“ die Abformung oder der Guss besser etc. Erst das Experimentieren mit dem Material führt zur endgültigen Form. Es ist ein langer Weg mit vielen Abzweigungen, bis die endgültige Arbeit steht. Ich beginne häufig mit einem Gegenstand – Spielzeug gebraucht, geschenkt, vom Flohmarkt -, der auf meinem Arbeitstisch liegt. Oder einem Foto davon. Zeichnerisch nähere ich mich an, ich interagiere damit, so entstehen ganze Serien. Die Zeichnungen stehen für sich und sind wiederum Ausgangspunkt für Erweiterungen: Wandarbeiten oder Objekte. Aber nicht jeder Gegenstand „funktioniert“, das ist dann eine Sackgasse.

KVE: Welche speziellen Medien oder Techniken bevorzugen Sie und warum?

Alex‘ Objekt-Arbeiten sind oft aus nicht hochwertigem Material hergestellt. Gebrauchte Möbel, Karton, einfaches Papier, auch Baumschaum. Er nutzte ein breites Spektrum von Medien und Techniken und kombinierte sehr häufig Video mit Objektarbeiten und Installationen. Das bot eine große Flexibilität in der Umsetzung von Ideen und eine Leichtigkeit, auch einen Humor, der in den Arbeiten steckt. Für mich hat die Zeichnung eine große Bedeutung, das ist der Raum, in dem ich denke, in dem für mich alles möglich ist. Ich nutze alles, vom Kugelschreiber über technische Zeichenstifte, Kohlepapier, Copics, Buntstifte, Aquarellfarben, Tuschestifte, Vinylfarbe bis hin zu Tapes. Es ist ein großer Möglichkeitsraum, aus dem alles andere entsteht.

KVE: Gibt es ein bestimmtes Werk oder eine Serie, die Ihnen am Herzen liegt? Was macht sie so bedeutsam?

Alex‘ und meine Arbeiten zum Thema Wald – der Bogen von der Sehnsuchtslandschaft zum Horrorszenario, von der Jagd bis zur Zauberhaftigkeit von Märchen – sind für mich sehr wichtig, es ist ein Ineinanderfallen unserer sehr unterschiedlichen Umsetzungen. Ein verbindendes Element ist die Doppelbödigkeit in unseren Arbeiten. Im Kunstverein sind Arbeiten zu sehen, die daraus weiterentwickelt wurden. Alex‘ Baumhaus – eine motivische Verbindung zur Mantelmadonna - , mein Allerleirauh, der Vielerleipelz aufgehängt am verkleinerten Garderobenständer-, die Anlehnung an den Tarnmantel aus dem Märchen. Schutz und Tarnung, die Brüche und Drehungen, die darin stecken. Und: ich komme auch wieder auf den Humor. Der steht für das Versöhnliche.

KVE: Wie navigieren Sie zwischen Ihrer persönlichen kreativen Vision und den Erwartungen eines Publikums oder einer Galerie?

Das können wilde Wasser werden, Kunst ist Ausdruck, ist Bild gewordene Sprache, ist Kommunikation, Kommunikation ist Austausch. Mein Anspruch ist „frei“ zu arbeiten. Wie frei das sein kann, wenn ich Resonanz erwarte, muss ich immer wieder neu mit mir verhandeln. Es ist eine ständige Aufgabe, reflektiert, selbstkritisch und zugleich frei von Projektionen, von vorweg genommenen Erwartungen eines Publikums oder einer Galerie kreativ zu arbeiten.

KVE: Welche Herausforderungen sind Teil Ihres künstlerischen Schaffens und wie gehen Sie damit um?

In der Konzentration und zugleich der Offenheit zu bleiben, die eigenen Arbeiten auch bis ins Scheitern zu führen und wieder neu anzusetzen – das ist eine echte Herausforderung. Im Wandel zu sein und sich Zuschreibungen zu entziehen – nicht zur Marke zu werden im Sinne von „die Handschrift/das Werk ist dauerhaft erkennbar, zuordenbar“ – , immer wieder ins Risiko zu gehen, das ist in Teilen erschöpfend und pushend gleichermaßen. Das ist die Basis meiner Arbeiten.

KVE: Was erhoffen Sie sich von der Ausstellung Ihrer Werke in unserer Galerie?

Wie vielleicht deutlich wurde, ja, schon eine Resonanz, einen Austausch, eine Erweiterung, Gespräche, Anstöße – unsere/meine Erfahrung im Lauf der Jahre war, dass es aus jeder Ausstellung Impulse für neue Arbeiten gab. Das schätze ich sehr, das ist tatsächlich ein Schatz für mich.

KVE: Wo sehen Sie Ihre künstlerische Reise in den nächsten Jahren und welche Entwicklungen planen Sie?

Meine künstlerische Reise in den nächsten Jahren werde ich alleine unternehmen ohne Gegenüber und das ist meine große Aufgabe. Mir fehlt die Person, die – neben allem anderen – mein wichtigster Kritiker war. Wenn ich eine Entwicklung planen kann, dann wäre es die, mir ein inneres Gegenüber zu schaffen, das mich konstruktiv kritisch in meinem kreativen Prozess begleitet.