Kunstgespräch: Margret Parpart - Gratwanderung

"Meine Kunst behandelt die Leinwand wie ein Objekt. Ich zerlege Flächen, lasse Formen entstehen. Brüche und Schnitte befreien das Bild. Unerwartete Herausforderungen im Malprozess sind essentiell – sie führen zur Vollendung. Freiheit im Prozess bedeutet, nicht zu wissen, was entsteht.”

KVE: Sie haben eine bemerkenswerte Entwicklung von der Bildhauerei zur Malerei durchlaufen. Wie beeinflusst Ihr Hintergrund in der Bildhauerei Ihre gegenwärtige Malpraxis und wie reflektiert sich das in Ihrer aktuellen Ausstellung?

Parpart: Mich interessieren Räume, Objekte und Skulpturen auch als Bildgegenstand. Dabei behandele ich die Leinwand selbst wie ein Objekt, bearbeite sie von allen Seiten, sodass sich das Oben und Unten erst im Laufe des Malprozesses zeigt. Wie in der Bildhauerei teile und zerlege ich Flächen oder lasse Formen aus dem Umraum entstehen. In der Ausstellung gibt es auch keine Berge vor blauem Himmel, ich löse sie vom Hintergrund oder stelle sie frei, um sie damit Skulpturen werden zu lassen.

In Ihren Arbeiten spielen Brüche und Schnitte eine wichtige Rolle, um eine spannungsvolle Störung zu erzeugen. Könnten Sie näher darauf eingehen, wie diese bildhauerischen Eingriffe den Malprozess bereichern und die Dynamik Ihrer Gemälde formen?

Der Einsatz von Brüchen und Schnitten ist für mich zunächst einmal ein Mittel der Zerstörung, um mich von dem gegenwärtigen Zustand des Bildes zu befreien. Jeder Kurswechsel hält das Bild lebendig. Es kann auch sein, dass so Schnitt weiterhin die Bildarchitektur bestimmt und damit zum eigentlichen Thema des Bildes wird.

Ihre Malerei folgt einem prozessbasierten Ansatz, der von spontanen und intuitiven Entscheidungen geprägt ist. Wie navigieren Sie zwischen dieser spontanen Kreativität und der bewussten Gestaltung, insbesondere wenn Sie auf unerwartete Herausforderungen im Malprozess stoßen?

Unerwartete Herausforderungen brauche ich ja gerade für den Malprozess. Diese treten meistens auf, wenn das Bild fast fertig ist, aber doch noch nicht ganz „aufgeht“. Bei einer guten Arbeit kippt das Bild fast immer erst zum Schluss. Da hilft kein kleinliches Ausbessern. Ich stelle dann alles noch einmal in Frage und arbeite so lange weiter bis ein neues Ergebnis entsteht. Um im Malprozess ganz frei zu sein, darf ich lange nicht wissen, was ich da eigentlich male. Ich lasse anfangs viel Chaos zu und beginne dann das Bild langsam zu ordnen, reagiere intuitiv auf Bildzustände, aber lenke nicht das Bildgeschehen. Neben dem intuitiven Arbeiten ist auch die Beurteilung mit einem gewissen Abstand, mein „fremder“ Blick auf die Arbeit wichtig. So kann auch eine Störung produktiv sein und das Telefon im richtigen Moment klingeln.

Sie erwähnten, dass Ihre Werke eine dynamische Interaktion zwischen bildhauerischen Einflüssen und einer prozessualen Herangehensweise an die Malerei zeigen. Könnten Sie beschreiben, wie Sie diese beiden Elemente in Ihrer aktuellen Ausstellung miteinander verweben?

Diese Einflüsse verweben sich von selbst und sind ja untrennbar in allen meinen Arbeiten enthalten, liegen also auch unter jedem Bild in dieser Ausstellung.

Dr. Peter Lodermeyer betont die fortlaufende Dialogführung mit den vielfältigen Möglichkeiten des Farbmaterials in Ihrem Malprozess. Könnten Sie uns Einblicke geben, wie Farbe als aktiver Teilnehmer in Ihrem künstlerischen Prozess agiert und Ihre Bildsprache formt?

Sie hilft bei der Bildfindung. Ich spiele mit ihren Tönen – jede Farbwahl schafft eine neue Ausgangslage – und ihren Konsistenzen von der fließenden bis zur Hard Edge-Malerei.

Die Qualität Ihrer Bilder wird als eine Art geronnene Energie beschrieben, die aus dem Zusammenspiel verschiedener Bildkräfte und -rhythmen resultiert. Wie schaffen Sie diese energetische Resonanz in Ihren Werken und wie möchten Sie, dass die Betrachter diese wahrnehmen?

Gab es unter dem Bild keine spannungsvollen Verschiebungen oder Aktionen, dann ist auch die Bildoberfläche ohne Leben. Die Materie muss sozusagen gepflügt werden, sonst entsteht keine energetische Präsenz, die - so hoffe ich - auch für die Betrachter spürbar wird.

Inwiefern integrieren Sie in Ihrer Ausstellung Landschaftsmotive und abstrakte geometrische Arbeiten, während Sie gleichzeitig kleinformatige Kunstwerke präsentieren? Wie tragen diese unterschiedlichen Formate dazu bei, eine gemeinsame Bildarchitektur zu schaffen, die sowohl organische als auch geometrische Formen vereint und somit unter allen Landschaftsarbeiten zu finden ist?

In jedem meiner Bilder entstehen während des Malprozesses sowohl organische wie auch geometrische Formen. Bei den kleineren Arbeiten ist die Bildarchitektur offen gelegt, die im Kern auch unter allen Landschaftsarbeiten zu finden ist. Das kleine Format ist für mich immer auch Experimentierfläche und Seismograph für Entwicklungen und Veränderungen.