Kunstgespräch: Fotoklasse AdbK, Klasse Eydel, Kompliz*innen des Realen

"Jeder Raum entspringt einem Konzept und einer bewussten Haltung. Es ist wichtig, Räume als politisch zu begreifen. Sie sind so konzipiert, um eine bestimmte Wirkung auf uns zu haben. Somit werden wir mit unserem Körper zum politischen Gegenspieler. Auf dieser Grundlage basieren unsere Arbeiten für die Ausstellung."

Die Antworten auf die gestellten Fragen, wurden von verschiedenen Beteiligten eingebracht und entsprechen einer Sammlung von Antworten.


KVE: Könnt ihr uns erzählen, wie ihr als Fotoklasse eure kreativen Konzepte für die bevorstehende Ausstellung in unserer Galerie entwickelt habt?

Kollektiv: Bereits im letzten Sommersemester haben wir uns als Klasse mit dem Thema Körper und Raum beschäftigt. Viele Studierende der Klasse haben sich schon länger mit ortsbezogenen Arbeiten und der Wirkung von Räumen auseinandergesetzt. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Korrelation zwischen Räumen und den Körpern, die sich in ihm befinden, beziehungsweise auch konkret des eigenen Körpers und den Raumerfahrungen, die sich ergeben.

Durch verschiedene Workshops mit Künstler*Innen, wie Rebecca Ann Tess oder Christina Werner, ergaben sich für uns vielfältige Ansatzpunkte die Thematik zu beleuchten und in konkrete Formen zu übersetzen. Die Konzepte für die Ausstellung im KV Erlangen, sind aufgebaut auf den Erfahrungen und Ergebnissen, welche wir durch die vergangenen Formate bisher sammeln konnten und der Weiterentwicklung jenes Wissens. 


Welche Hauptthemen oder gemeinsamen Botschaften wollt ihr durch eure Werke in der Ausstellung vermitteln?

Wir bewegen uns alle täglich in verschiedenen Räumen, wodurch wir dazu tendieren, sie für selbstverständlich zu halten und selten zu hinterfragen. Doch jeder Raum, jeder Space, entspringt aus einem Konzept und einer bewussten Haltung. Es ist also wichtig, alle Räume, in denen wir uns bewegen, auch als politisch zu begreifen. Sie sind mit verschiedenen Intentionen konzipiert und sollen vor allem eine bestimmte Wirkung auf uns haben. Somit werden wir mit unserem Körper zum politischen Gegenspieler. Auf Basis dieser Überlegungen fußen unsere Arbeiten für die Ausstellung.

Welchen Einfluss hat die Lehre in der Klasse von Prof.in Katja Eydel für eure Herangehensweise an die Fotografie und eure künstlerische Entwicklung?

Katja hat unsere Sichtweise auf Fotografie und Kunst und damit auch unseren Zugang dazu allgemein stark geprägt. Die Haltung, die wir von ihr erfahren, ist kritisch und hinterfragend. Sie leitet uns dazu an, gegebene Verhältnisse zu reflektieren und unseren eigenen Standpunkt / Blickpunkt zu entwickeln. Was genau bedeutet der Akt des Fotografierens, was vermittelt ein Bild und was nicht? Zu begreifen, dass alles, was uns umgibt, aus Bildern besteht, welche einen bestimmten Zweck verfolgen und sich diesen anzueignen oder offenzulegen, ist eine Perspektive ihrer Lehre, aus der wir viel für unsere eigene künstlerische Entwicklung ziehen können.


Könnt ihr uns einen Einblick geben, welche fotografischen Techniken und Stile in eurer Klasse besonders präsent sind und wie sie die Gesamtausstellung beeinflussen werden?

In unserer Klasse gibt es eine Offenheit, wie künstlerisch gearbeitet wird und welche Formen, Medien und Stile eingesetzt werden. Es gibt Positionen, die klassisch kamerabasiert und auch dokumentarisch arbeiten, ebenso wie Studierende, die stärker über das Medium selbst arbeiten, zum Beispiel gefundenes Material nutzen oder bestimmte Anwendungstechniken zitieren. Auch dreidimensionale und zeichnerische Techniken sind vertreten. Die individuelle künstlerische Entwicklung innerhalb eines Kunststudiums ist zum Teil sehr dynamisch und auch experimentell. Die Klasse bietet einen Rahmen, vieles auszuprobieren. Das Medium der Fotografie dient dabei als eine Art Gravitationszentrum.


Gab es spezifische Herausforderungen während des kreativen Prozesses, die ihr als Gruppe bewältigt habt?

Die Studierenden einer Klasse sind keine selbstgewählte Gruppe, sondern sie finden sich dort durch einen übergeordneten Rahmen zusammen und studieren in unterschiedlichen Semestern. Die Interessen der Einzelnen über mehrere Monate in eine gemeinsame thematische Auseinandersetzung zu führen, um dann in eine funktionierenden Gruppenpräsentation zu münden, erfordert einen guten Zusammenhalt und eine wohlwollende gegenseitige Aufmerksamkeit in der Gruppe.


Wie hat der Austausch untereinander in der Fotoklasse eure eigene künstlerische Entwicklung beeinflusst?

Das Studium in der Klasse ist ein Privileg, über das jede*r von uns sehr dankbar ist. Besonders durch den Austausch untereinander können wir unsere eigenen Arbeiten weiterentwickeln und auch von anderen Blickwinkeln betrachten. So bekommt man immer wieder neue Impulse und Referenzen und wird auch stets motiviert neue Möglichkeiten und Herangehensweisen zu erproben.

Der Austausch untereinander hat einen wichtigen Einfluss auf unsere künstlerische Entwicklung. Durch gemeinsame Arbeitsbesprechungen in der Klasse ist es uns möglich, neue Perspektiven zu erfahren, Referenzen zu sammeln und somit unseren Horizont zu erweitern für die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst – und wie sich diese gestalten lässt.

Der Austausch in der Gruppe spielt eine ganz entscheidende Rolle. Durch den Austausch haben wir gelernt, was funktioniert an einer Arbeit und was nicht. Wie vermittele ich das, was ich gerne vermitteln möchte. Ist die Arbeit zu verschachtelt oder zu offensichtlich und wo möchte ich eigentlich damit hin. Durch den Austausch können wir von anderen lernen, und dies in unsere eigene Praxis einbeziehen. Je mehr Informationen wir haben, desto besser.

Die unterschiedlichen Perspektiven und Ansätze von uns Studierenden in der Klasse, haben mich anders auf meine eigene Arbeit und auf gewisse Themen in der Welt blicken lassen. Im Laufe der Zeit entwickelte ich ein Bewusstsein und eine Sensibilität gegenüber Dingen, die vorher nicht vorhanden war. Der Austausch in der Gruppe ist wichtig, um wachsen zu können, als Individuum und als Gruppe. Mein Umgang mit dem Medium Fotografie hat sich dadurch auch stark verändert.


Inwiefern spiegeln eure Arbeiten die Rolle und Bedeutung der Fotografie in der zeitgenössischen Kunst wider?

Die Fotografie wirft unweigerlich Fragen nach der Wiedergabe von Realität, Reproduktion und Repräsentation auf. Die Frage, welches Bild generiert wird, lässt sich auf verschiedene Medien ausweiten. Der fotografische Blick spielt also für uns alle eine Rolle im künstlerischen Arbeiten, egal über welches Format gearbeitet wird.


Wie beeinflusst der Ausstellungsort, unsere Galerie, eure Herangehensweise an die Präsentation eurer Werke?

Jeder Ausstellungsort ist auf seine eigene Art besonders. So bringt jeder Ausstellungsort seine eigenen Chancen und auch Schwierigkeiten mit sich. Für uns als Klasse ist das Befassen mit den Räumlichkeiten wichtig. Die Arbeiten sind nicht autonom, sondern sie treten für die Betrachter*innen in einen Dialog mit ihrer Umgebung und auch anderen Arbeiten und Elementen im Raum, Licht, Blicken aus Fenstern, Bewegungsabläufen in den Räumen usw. Das Austesten von verschiedenen Möglichkeiten der Präsentation unserer Werke in den Räumen ist dementsprechend ein wichtiger Teil des Prozesses.


Welche Reaktion oder Wirkung erhofft ihr euch von den Besucher*innen der Ausstellung in Bezug auf eure Kollektivarbeiten?

Wir hoffen, Rezipient*Innen unserer Arbeiten zu einer Selbstbefragung anzuregen und dadurch die eigene Haltung zu reflektieren. Dazu gehört auch, die eigenen Rollen in den unterschiedlichen ökologischen, sozialen, politischen Systemen zu hinterfragen und neue Perspektiven auf altvertraute Umgebungen zu finden oder auch sie wieder zu verlieren, also keine Selbstverständlichkeiten zu akzeptieren.


Wie haben eure gemeinsamen Erfahrungen in der Fotoklasse eure Auffassung von Fotografie und Kunst verändert?

Die Beschäftigung mit der Rolle der Fotografie in unserer heutigen Gesellschaft ist ein wichtiger Aspekt unserer Auseinandersetzung. In unserem Diskurs in der Klasse ist auch das Machtverhältnis hinter und vor der Kamera von Bedeutung. Durch das Studium an der Akademie erproben wir verschiedene Leseweisen von künstlerischen Arbeiten und lernen diese anzuwenden.

Ich denke viel mehr über die Konsequenzen von ungefragtem Fotografieren nach und befasse mich stärker mit der Rolle als Fotograf*in in unserer heutigen Gesellschaft. Dabei frage ich mich, wie ich das bestehende Machtverhältnis, hinter der Kamera zu sein, nicht negativ ausnutze. Ich kann deutlich besser ausdrücken, was ich auf Fotografien sehe und habe mehr Verständnis für das, was mich anzieht.


Auf welche Weise ergänzen sich eure individuellen künstlerischen Stimmen, um eine kohärente und vielfältige Ausstellung zu schaffen?

Durch die individuelle Annäherung an die Ausstellungsthematik hat sich jede*r von uns mit verschiedenen Facetten beschäftigt. Die entstandenen Arbeiten können als einzelne Layers verstanden werden, die sich zu einem Gesamten verflechten.


Warum ist es für euch bedeutsam, eure Arbeiten als Gruppe in einer professionellen Umgebung wie unserer Galerie zu präsentieren?

Für uns ist es immer eine erfreuliche Möglichkeit unsere Arbeiten in einer Galerie zeigen zu können. Unsere künstlerischen Arbeiten sind an Rezipient*innen gerichtet. Durch das Ausstellen in einer professionellen Umgebung haben wir die Möglichkeit, mehr Menschen zu erreichen und Sichtbarkeit für unsere Arbeiten zu schaffen.


Könnt ihr uns kurz eure Zukunftspläne oder Vorhaben nach der Ausstellung teilen?

Die Beschäftigung mit einer Thematik lässt sich für uns nicht durch eine Ausstellung terminieren, sie findet Einzug ist unser aller Praxis. Auch die dazugewonnenen Fragen und das Wissen prägen unsere Arbeit kontinuierlich weiter.